Die Komplementärmedizin erfreut sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Tatsächlich nutzen bis zu 90% der Patienten mit einer Tumorerkrankung im Verlauf ihrer Erkrankung Methoden der sogenannten alternativen Medizin. Der Begriff „alternativ“ oder „komplementär“ ist dabei nicht klar definiert, sondern versteht sich als Sammelbezeichnung für unterschiedliche Behandlungsmethoden und diagnostische Konzepte, die nicht in der traditionellen Schulmedizin angewendet werden.
Worin begündet sich die Beliebtheit? Gerade Patienten im fortgeschrittenen Tumorstadium sprechen nur bedingt auf eine „klassische“ Therapie an, die zudem von schweren Nebenwirkungen begleitet sein kann. Resistenzen verkomplizieren die Situation zusätzlich. Mit den erweiterten Behandlungsmöglichkeiten der Komplementärmedizin ist die Hoffnung verknüpft, einen therapeutischen Erfolg bei praktisch ausbleibenden Nebenwirkungen zu erzielen.
Die Wirksamkeit einzelner naturheilkundlicher Verfahren ist hinreichend belegt. Dennoch ist das Thema heikel. Das Verhältnis von Schulmedizin und alternativen Heilverfahren ist vielfach von Misstrauen und Ablehnung geprägt. Tatsache ist aber auch, dass in der Praxis unterschiedliche Behandlungsansätze längst ohne ideologische Bedenken eingesetzt werden. Viele niedergelassene Ärzte bieten komplementärmedizinische Verfahren an, und die Therapien werden von den Patienten in einem hohen Maß nachgefragt. Das große Interesse an komplementärmedizinischen Leistungen in Deutschland belegt nicht zuletzt ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19. 01. 2012, demnach Krankenversicherungen vermehrt eine Zusatzleistung für Komplementärmedizin anbieten.
Worin liegt das Problem? Obwohl viele alternative Behandlungsformen auf eine zum Teil Jahrtausende alte Empirie zurückzuführen sind – man denke nur an die traditionell-chinesische Medizin – fehlen doch zumeist wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit. Große, kontrollierte Studien sind bislang nicht durchgeführt worden, so dass der Einsatz „natürlicher“ Präparate oft als unseriös abgetan wird. Tatsächlich ist bei vielen komplementär-onkologischen Verfahren unklar, ob und in welchem Maße sie auf einen Tumor Einfluss nehmen und welcher Nutzen sich für den Patienten ergibt. Das Dilemma lässt sich nur lösen, wenn solche Präparate einer exakten wissenschaftlichen Prüfung unterworfen werden.
Insbesondere gilt dies für den Naturstoff Amygdalin. Amygdalin ist ein sekundärer Pflanzeninhaltsstoff und findet sich zum Beispiel in Aprikosenkernen, Apfelkernen oder bitteren Mandeln. Bekannt ist Amygdalin auch unter dem Namen Laetrile oder B17. In Gegenwart von Wasser wird Amygdalin durch das Enzym Amygdalase in Traubenzucker und Mandelsäurenitrilglukosid gespalten. Letzteres zerfällt durch den Einfluss weiterer Enzyme in Cyanid/Blausäure. Amygdalin wurde in den 20er-Jahren von Ernst Krebs entdeckt. Basierend auf Tierversuchen wurden der Substanz tumorhemmende Eigenschaften zugeschrieben. Seit den 70er Jahren ist Amygdalin als Naturheilmittel vermehrt in den Fokus des Interesses gerückt. Seine Bedeutung als potentielles Antitumormittel wird jedoch äußerst kontrovers diskutiert, und zwei extreme Positionen stehen sich nahezu kompromisslos gegenüber. Befürworter betrachten Amygdalin als alternatives oder natürliches Mittel zur Behandlung von Tumorerkrankungen oder deren Symptomen. Sie verweisen dabei auf angebliche Erfolge bei der Krebsbekämpfung. Gegner sehen in Amygdalin hingegen ein unseriöses Wundermittel und warnen vor möglichen toxischen Effekten durch gebildete Cyanidionen. Beide Aussagen sind nicht überprüfbar, da detaillierte Studien zu diesem Thema fehlen.
Im Rahmen des geplanten Forschungsprojektes möchten wir diese Problematik aufgreifen und herausarbeiten, ob und in welchem Maße Amygdalin die progressive Ausbreitung eines Tumors zu stoppen vermag. Die Untersuchungen konzentrieren sich dabei auf Tumorzellen des urologischen Formenkreises, können jedoch in einer fortgeschrittenen Phase auf weitere Tumorentitäten ausgedehnt werden.